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Interview mit Devina Singh von Fairtrade India

Devina Singh ist Kampagnen-Managerin bei Fairtrade India. Im Interview erzählt sie uns, welche Aktionen Fairtrade India für Fair Fashion startet und wie sie vor Ort die Fashion Revolution Week gestalten.

Aktion zur Fashion Revolution bei Fairtrade India

Aktion zur Fashion Revolution bei Fairtrade India. Devina Singh (rechts) ist Kampagnen-Managerin bei Fairtrade India. Bild: Fairtrade India

Wie beteiligt sich Fairtrade India an der Fashion Revolution?

Die erste Kampagne von Fairtrade India zur Fashion Revolution fand vor drei Jahren statt. Mit einem Budget von umgerechnet rund 35 Euro konnten wir 7.000.000 Menschen medial erreichen und die Aufmerksamkeit für das Thema enorm steigern. Wir haben neben der Leitfrage „Who made my clothes?“ der globalen Kampagne auch die Frage „Who grew my clothes?“ gestellt. Hintergrund ist, dass viele in Indien gar nicht wissen, dass die Baumwolle für ihre Kleidung hier produziert wird. Es ist aber unheimlich wichtig, über die prekäre Lage der Baumwollbäuerinnen und -bauern zu informieren. Jede halbe Stunde bringt sich in Indien ein Kleinbauer um, 70 Prozent von ihnen sind im Baumwollanbau beschäftigt.

Wir arbeiten eng mit der Fashion Revolution India zusammen und organisieren in diesem Jahr gemeinsam Filmscreenings in verschiedenen Städten. Außerdem kooperieren wir mit einer Schule in Mumbai, dort klären wir die Kinder über ihre Macht als Verbraucher auf und wollen dadurch auch die Social Media-Kampagne stärken. Bei der Online-Kampagne unterstützen uns auch Modeblogger. Einige Reiseblogger besichtigen Fairtrade-Farmen, um darüber online zu berichten und ihre Eindrücke mit der ganzen Welt zu teilen. Immer mehr Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie Fabrikarbeiterinnen und Fabrikarbeiter beteiligen sich auch selbst an der Fashion Revolution. Einige der Fabriken werden zum Beispiel mit einer Kerzenandacht und Schweigeminute den Opfern des Unglücks von Rana Plaza gedenken.

Was sind aktuell die größten Erfolge für Fair Fashion in Indien?

Fairtrade India konnte in den letzten Monaten wichtige Kooperationspartner gewinnen, die auf Fairtrade-zertifizierte Baumwolle umstellen. Die Vidyashilp Academy in Bangalore, eine Fairtrade-Pilotschule mit über 2.000 Schülern, wird für die Produktion ihrer Uniformen zukünftig Fairtrade-Baumwolle beziehen. Vidyashilp setzt sich schon länger für Fairtrade ein. Die Schule unterrichtet ihre Schüler über Fairtrade und verantwortungsbewussten Konsum. Sie wird die erste Fairtrade-Schule in Indien und wir freuen uns sehr darüber, dass in dem Land eine Verbraucherbewegung für fairen Handel entsteht.

Farhan Akhtar, ein berühmter Bollywood-Schauspieler, setzt sich für die Initiative MARD (Men Against Rape and Discrimination) ein. Für die letzte Faire Woche in Indien, unsere größte nationale Kampagne, hat Akhtar 1.000 Shirts des Labels Soul Space für sein Konzert geordert. Die Shirts sind mit Fairtrade-zertifizierter Baumwolle produziert. Die Baumwolle stammt von der Fairtrade-Farm Chetna Organic in Odisha und wird in der Fabrik Rajalakshmi Mills in Kalkutta verarbeitet. Akhtar hat damit ein Zeichen für Frauenrechte gesetzt, denn viele der Kleinbauern und Arbeiter sind weiblich. In der Modeindustrie sind sogar 80 Prozent der Beschäftigten Frauen. Fairtrade steht für Werte wie Diskriminierungsfreiheit und Gendergerechtigkeit und stärkt so viele Frauen auf Farmen und in Fabriken.

Darüber hinaus gibt es jetzt die ersten Fairtrade-Pilot-Hotels: Accor International, Novotel Bengaluru Techpark und IBIS Bangalore. Die Hotels werden ihre gesamte Bettwäsche auf Fairtrade-Baumwolle umstellen. Novotel möchte Fairtrade-Produkte verwenden, wo immer es möglich ist. Für den Start hat Novotel bereits alle Räume mit der fairen Bettwäsche inklusive Fairtrade-Siegel ausgestattet. Die Baumwolle für die Bettwäsche stammt aus der Rapar and Dharangadhra Farmer Producer Company im Bundesstaat Gujarat.

Was wissen die Produzenten über den Weg ihrer Produkte?

Es gibt viele Farmen und Fabriken in Indien, in denen die Kleinbauern und Beschäftigten genau wissen, wie das Fairtrade-System funktioniert. Sie kennen das Siegel und die Geschichte dahinter. Die Kleinbauern assoziieren Fairtrade vor allem mit den Vorteilen der Prämie und die Fabrikarbeiter schätzen die Standards für verbesserte Arbeitsbedingungen.

Die Fairtrade-Kleinbäuerinnen und -Kleinbauern fühlen sich ihren Produzentenorganisationen stark verbunden. Bäuerinnen in vielen Dörfern haben mehr Kontrolle über ihr Leben erlangt, wichtige Positionen übernommen und an Entscheidungsmacht gewonnen. Padma Bai, eine Fairtrade-Baumwollbäuerin aus dem Dorf Patelguda im indischen Bundesstaat Telangana, ist die Dorfoberste. Sie war an der Gründung eines Zentrums beteiligt, das sich um angemessene Arbeitsbedingungen kümmert und mit Prämiengeldern finanziert wird. Solche Aktivitäten tragen maßgeblich zum Bewusstsein für Fairtrade und die Wirkungen des fairen Handels bei.

Da die Produkte durch die Fairtrade-Zertifizierung rückverfolgbar sind und damit Anfang und Ende der Lieferkette miteinander verknüpft sind, besuchen viele faire Labels Farmen und Fabriken. Sie wollen den Produzenten und Beschäftigten erklären, wie ihre Rohstoffe weiterverarbeitet wurden und ihnen das fertige Produkt zeigen. Eine Sache, an der wir unbedingt arbeiten müssen, ist hier die Sprachverständigung, denn nicht alle sprechen Englisch. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass alle Kleinbauern und alle Fabrikarbeiter etwas über das Produkt erfahren, das sie herstellen und so allen im Fairtrade-System unsere Botschaften vermittelt werden.